BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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85. Sitzung (25. Januar 2022 per Videokonferenz) – Ergebnisprotokoll

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG

Ort:
per Videokonferenz

Teilnehmende:
Der Vorsitzende
Sachverständige des Ausschusses für Verschreibungspflicht
Vertreterinnen/Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Vertreterinnen/Vertreter des BfArM
Vertreterinnen/Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Hinweis:
Der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger nach § 53 Absatz 2 AMG berät das BMG und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Hinblick auf Fragen zur Verschreibungspflicht von Arzneimitteln und gibt hierzu fachliche Empfehlungen ab. Mit diesen Ausschussempfehlungen wird der – in jedem Einzelfall erforderlichen – Entscheidung des jeweils zuständigen Bundesministeriums nicht vorgegriffen. Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erfolgen durch Rechtsverordnungen des BMG bzw. des BMEL; diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tagesordnung:

TOP 1 Eröffnung der Sitzung

Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und stellt fest, dass bei keinem Ausschussmitglied ein Interessenkonflikt besteht. Bezüglich des virtuellen Formats der Sitzung werden einige technische Hinweise gegeben. Ferner wird die Beschlussfähigkeit des Gremiums festgestellt.

TOP 2 Annahme der Tagesordnung

Der Vorsitzende kündigt Ausführungen unter TOP 6 „Verschiedenes“ an. Die Tagesordnung wird ansonsten ohne Änderungen angenommen.

TOP 3 Letzte Änderungen in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV)

Es gab keine Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) seit der letzten Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses.

Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich der Umsetzung der Voten zu den Antihistaminika aus den vergangenen Sitzungen nach. Das BMG führt aus, dass in Abstimmung mit dem BfArM darauf verzichtet worden sei, die entsprechenden Wirkstoffe der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Das BfArM habe eine Reihe anderer Maßnahmen zur Risikominimierung vorgeschlagen, denen das BMG zugestimmt hat.

TOP 4 Sildenafil 50 mg

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur oralen Anwendung

Zunächst trägt der Antragsteller vor. Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich der Nebenwirkungen und welche Argumente gegen die Freistellung von Sildenafil 25 mg sprächen. Der Antragsteller antwortet, dass Sildenafil per se eine untoxische Substanz sei, auch bei massiver Überdosierung gäbe es keine drastischen Nebenwirkungen. Die mögliche Hypotonie sei im Regelfall unproblematisch. Die 25 mg seien insbesondere für spezielle Patienten vorgesehen, es gäbe keine Unterschiede im Nebenwirkungsspektrum. Das Ausschussmitglied merkt an, dass Studien durchaus eine Dosisabhängigkeit für die Nebenwirkungen zeigen würden.

Das BfArM fragt bezüglich der Daten zur Häufigkeit der Konsultation von Gesundheitsdienstleistern durch Nutzer von OTC verfügbarem Sildenafil. Entsprechend des Antragstellers beruhen diese Daten auf den in der Publikation von Lee et al.1 genannten 236 Anwendern.

Ein anderes Ausschussmitglied merkt an, dass der Onlinehandel zwischen Deutschland und Großbritannien nicht vergleichbar sei, da unterschiedlich reguliert. Zudem stelle sich die Frage der Dosistitration und die Frage nach dem Alter der (Haupt-)Käufergruppe. Der Antragsteller führt aus, dass auch im Onlinehandel die Informationsmaterialien für Patienten und Apotheker verfügbar seien. Die Dosis-Wirkungsbeziehung sei flach.

Ein weiteres Ausschussmitglied weist darauf hin, dass ein nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch in der Regel von den Anwendern nicht gemeldet werde. Die dargestellten Daten, die sich auf Nebenwirkungsberichte bezögen, seien daher nicht geeignet, um die missbräuchliche Anwendung adäquat abzubilden. Das Ausschussmitglied fragt, ob systematisch Daten zur missbräuchlichen Anwendung für OTC verfügbare Präparate erhoben wurden. Der Antragsteller führt aus, dass insbesondere Missbrauch im Zusammenhang mit aufgetretenen Nebenwirkungen wichtig sei, dieser sei in den Meldungen abgebildet. Studien zum Missbrauch seien ebenfalls problematisch. Bisherige Daten belegten nicht, dass Missbrauch durch jüngere Männer erfolge. Bei diesen hätte Sildenafil auch keinen Effekt. Studien dazu lägen aber nicht vor.

Ein Ausschussmitglied spricht nochmals die Frage des Onlinehandels an und bezweifelt, dass der Großteil von OTC verfügbarem Sildenafil über stationäre Apotheken abgegeben werde. Der Antragsteller führt aus, dass dies den erhobenen und extrapolierten Daten entspräche.

Inwieweit die (kontraindizierte) Komedikation mit Nitraten im OTC-Bereich zu Problemen führen könne und wie die adäquate Patientenauswahl durch Apotheker gewährleistet werden soll, fragt ein anderes Ausschussmitglied an. Der Antragsteller gibt an, dass die Blutdruckeffekte bei gleichzeitiger Nitrateinnahme relativ gering seien, außerdem hätten beide Substanzen eine kurze Halbwertszeit. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Patientenauswahl und -beratung durch Pharmazeuten korrekt sei.

Ein weiteres Ausschussmitglied merkt an, dass die erektile Dysfunktion ein Frühzeichen für kardiovaskuläre Erkrankungen sein könne und fragt, ob durch die OTC-Verfügbarkeit von Sildenafil nicht die Chance einer frühzeitigen Diagnostik dieser Erkrankungen vergeben würde. Nach Ansicht des Antragstellers kann die OTC-Verfügbarkeit eher dazu führen, dass die Patienten nachgelagert zur Anwendung einen Arzt zur Ursachenabklärung aufsuchen, der ansonsten nicht kontaktiert worden wäre.

Der Antragsteller verlässt den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied unterstützt die Ausführungen des BfArM. Die Daten zeigten eine erhebliche Anzahl von schwerwiegenden Nebenwirkungen in klinischen Studien bei der 50 mg-Dosisstärke, aus denen sich erhebliche Nebenwirkungszahlen nach Marktzulassung ableiten ließen, ohne dass diese entsprechend gemeldet und erfasst werden würden. Zudem erforderten die Kontraindikationen eine ärztliche Abklärung, die durch Apotheker nicht vorgenommen werden könne.

Auch ein weiteres Ausschussmitglied befürwortet die Position des BfArM. Die kardialen Risiken seien unzureichend berücksichtigt. Die möglichen Blutdrucksenkungen könnten bei entsprechend vorbelasteten Patienten zu schwerwiegenden Problemen führen.

Ein weiteres Ausschussmitglied fragt, ob der Antragsteller Daten zum Nutzen der vorgeschlagenen Materialien (u.a. Checkliste für Apotheker) vorgelegt hätte. Die vom Antragsteller dargestellten Daten1 seien zu wenig aussagekräftig. Das BfArM antwortet, dass keine weiteren Unterlagen zu dieser Thematik vorgelegt worden seien.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Sildenafil 50 mg zur oralen Anwendung abzulehnen.

1 Lee LJ, Maguire TA, Maculaitis MC et al. Increasing access to erectile dysfunction treatment via pharmacies to improve healthcare provider visits and quality of life: Results from a prospective real-world observational study in the United Kingdom. Int J Clin Pract. 2021 Apr;75(4): e13849.

TOP 5 Zubereitung aus Xylometazolin und Ipratropiumbromid

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur intranasalen Anwendung

Zunächst trägt der Antragsteller vor.

Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Ein Ausschussmitglied fragt, ob es Studien zum direkten Vergleich der Kombination mit einer Xylometazolin-Monotherapie gibt und wie die Ergebnisse bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen seien. Der Antragsteller weist darauf hin, dass belegt sei, dass Xylometazolin keinen Effekt auf die Rhinorrhoe habe. Ein direkter Vergleich sei in den Zulassungsstudien vorgenommen worden. Nasenbluten sei dabei unter der Kombination (etwas) häufiger als unter Placebo oder Xylometazolin-Monotherapie aufgetreten. Der Antragsteller erörtert des Weiteren den Ablauf des (Wund-)Heilungsprozesses an der Nasenschleimhaut. Dabei könne es zu blutig tangiertem Sekret kommen, das nicht mit einer Epistaxis gleichzusetzen sei.

Ein anderes Ausschussmitglied möchte wissen, ob es Daten zu der Frage gibt, ob bei der Kombination durch eine ggf. geringere abschwellende Wirkung eine höhere Rate an bakteriellen Sinusitiden auftritt. Der Antragsteller erklärt, dass diese Frage nicht explizit untersucht worden sei. Fälle von bakterieller Sinusitis seien in den klinischen Studien allerdings nicht aufgetreten.

Ein weiteres Ausschussmitglied fragt hinsichtlich des Epistaxismanagements in der Praxis nach. Der Antragsteller erwidert, dass man davon ausgehe, dass vor der Anwendung von Nasalia die Patienten diesbezüglich entsprechend aufgeklärt würden.

Das BfArM fragt bezüglich der Möglichkeiten der Erfassung der Hypersekretion in Studien. Der Antragsteller gibt an, dass es hier eine Entwicklung gegeben hätte. In der Vergangenheit sei die Anzahl der verwendeten Taschentücher genutzt worden, inzwischen gäbe es Möglichkeiten zur Gewichtsbestimmung der Sekretmengen.

Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich des Risikos eines Missbrauchs bzw. einer Abhängigkeitsentwicklung bei der Kombination. Nach Ansicht des Antragstellers wird die Kombination nur kurzzeitig angewendet. Das Abhängigkeitsrisiko könnte bei der Kombination zudem geringer sein, da Ipratropium zur Austrocknung der Nasenschleimhaut führe, was subjektiv unangenehm sei. Daten hierzu lägen aber nicht vor.

Da keine weiteren Fragen bestehen, verlässt der Antragsteller den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied unterstützt die Ausführungen des BfArM. Die Nebenwirkungsrate sei bei der Kombination höher, der Nutzen stehe dazu in keinem adäquaten Verhältnis.

Ein anderes Ausschussmitglied fragt, ob Meldungen zu Fällen mit transfusionspflichtigem Nasenbluten vorlägen. Nach Angabe des BfArM seien solche Meldungen nicht bekannt.

Von einem weiteren Ausschussmitglied wird angemerkt, dass die Gefahr für eine längerfristige Anwendung bei der Kombination durchaus geringer sein könnte. Ein Vergleich von Nebenwirkungshäufigkeiten aus Daten der Spontanerfassung sei zudem problematisch.

Nach Ansicht eines Ausschussmitgliedes kann Rhinorrhoe durchaus ein belastendes Symptom sein. Die anticholinergen Nebenwirkungen bei der topischen Anwendung seien im Vergleich zu systemischen Anwendungen eher unproblematisch. Die Kombination könne in die Hand der Patienten gegeben werden. Ein anderes Ausschussmitglied schließt sich tendenziell dieser Einschätzung an. Weder die Gesundheit gefährdende Nebenwirkungen noch ein erhebliches Missbrauchspotential lägen vor. Das BfArM erwidert, dass das Risiko für anticholinerge Nebenwirkungen gegeben sei und im Kontext der Indikation Schnupfen als problematisch angesehen werde.

Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich Daten zum Vergleich der Kombination mit einer Ipratropium-Monotherapie. Ein anderes Ausschussmitglied antwortet darauf, dass in Studien die Rhinorrhoe sowohl durch Ipratropium-Monopräparate als auch die Kombination verringert worden sei. Das BfArM führt aus, dass die Abnahme der Rhinorrhoe in den klinischen Studien nicht sehr ausgeprägt gewesen sei. Problematisch sei, dass Ipratropiumbromid eine Trockenheit der Nasenschleimhaut bewirke, was das Risiko für bakterielle Superinfektionen erhöhen könne.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für die Zubereitung aus Xylometazolin und Ipratropiumbromid zur intranasalen Anwendung abzulehnen.

TOP 6 Verschiedenes

Der Vorsitzende führt aus, dass für Tierarzneimittel ab Ende Januar 2022 neue gesetzliche Regelungen gelten. Daraus resultiere auch eine Änderung der Zusammensetzung des Sachverständigen-Ausschusses. Die Vertreter aus dem Bereich der Tiermedizin würden diesem zukünftig nicht mehr angehören. Der Vorsitzende dankt den entsprechenden Mitgliedern und Stellvertretungen herzlich für ihre Ausschussarbeit in den vergangenen Jahren und verabschiedet sie.

Der Vorsitzende stellt fest, dass alle Tagesordnungspunkte abgeschlossen seien und schließt die Sitzung. Er bedankt sich für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Sitzung sowie die Diskussionsbeiträge und verabschiedet die Anwesenden.

Termin der 86. Sitzung
12. Juli 2022 - 10 Uhr

Alternativ zur Online-Version können Sie hier die pdf-Version des Protokolls herunterladen:

Anlagen (Hinweis: personengebundene und vertrauliche Angaben in den Präsentationen/Anlagen wurden geschwärzt):

Präsentation zu TOP 4 BfArM
Präsentation zu TOP 5 Antragsteller
Präsentation zu TOP 5 BfArM

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